Montag, 6. Mai 2013

Dies und Das und warum es sich lohnt zu leben

Wie versprochen, poste ich gelegentlich einen Grund, warum es sich nach Ansicht der Autoren Werner Tiki und Marion Küstenmacher lohnt zu leben.


Heute geht es darum, dass es sich lohnt, weil wir Schweres tragen können.
"Menschen, die ein Schicksalsschlag oder ein Unglück getroffen hat, sind Gezeichnete. Etwas Schlimmes hat sie aus dem Alltag herausgehoben, Sie stehen an einem einsamen Platz. Wir anderen spüren, da ist jetzt ein großer Abstand da zwischen den Leidenden und uns. Nicht jeder kann oder will sich gleich auf Hilfe einlassen. Niemand erreicht ihn. Und das ist dann wieder schwer für alle, die gern trösten und helfen möchten.
Aber vielleicht hat dieses Abstandhalten auch sein Gutes, so seltsam das für uns auch klingen mag. Die Erfahrung von Distanz kann uns von der Illusion befreien, dass unsere Anteilnahme, unser Mitgefühl und unser gutgemeinter Trost den ganzen Verlust im Herzen dieser Menschen ausgleichen kann. Wir sind  - für eine Weile zumindest -  unströstlich. Unser Trost erreicht sie einfach nicht. Wenn man aber genau hinschaut, dann versteht man besser, warum bisweilen Leidende in dieser Phase erst einmal so viel Abstand wünschen. Sie müssen ihre Seelenkräfte ganz auf sich konzentrieren. Das ist die schwere Aufgabe unglücklicher Menschen. Dafür verdienen sie allen Respekt und unsere Geduld. Nach einer Weile ändert sich etwas. Die Distanz schwindet. Nähe ist wieder da. Und ein neues Wissen. Unter denen, die etwas Schweres durchgemacht haben, sind gar nicht einmal so wenige. die sagen:  "Ich wünsche das keinem. Aber ich möchte diese Erfahrung auch nicht mehr missen. Durch meinen Schmerz bin ich dem Leben und mir selbst näher gekommen als je zuvor.""

Es klingt anfangs etwas verwirrend. Aber bei genauem Hinschauen stimmt es ganz genau. Ich habe nach dem Tod meines Mannes genau so gehandelt. Ich wollte allein sein - nicht gestört werden in  "meiner" Trauer.
Später, erst viel später, habe ich eine gewisse Nähe wieder zugelassen. Aber ich habe die Türe geschlossen, wenn es mir zu viel wurde.


Tröste dich, die Stunden eilen,
Und was all dich drücken mag,
Auch die schlimmste kann nicht weilen,
Und es kommt ein andrer Tag.

In dem ew'gen Kommen, Schwinden,
Wie der Schmerz liegt auch das Glück,
Und auch heitre Bilder finden
Ihren Weg zu dir zurück.

Harre, hoffe. Nicht vergebens
zählest du der Stunden Schlag:
Wechsel ist das Los des Lebens,
Und - es kommt ein andrer Tag.
(Theodor Fontane)

19 Kommentare :

  1. Ein wunderbarer Bericht, LG Claudia.

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  2. Das Leben ist ein Wechsel zwischen Regen- und Sonnentagen und wenn der Regen nicht wäre, wüssten wir die Sonne nicht so zu schätzen und auch umgekehrt!
    Das Gedicht ist wunderbar ausgewählt zu deinem Beitrag, der mich sehr anspricht!

    Herzliche Grüße
    Regina

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  3. so fühlt man sich auch Irmi..man steht NEBEN Allem und JEDEM..man gehört in der Trauer nicht dazu..den Weg dahin muss man neu finden..
    aber diesen Weg gehen wir wohl alle einmal..oder öfter den Weg zum LEBEN zurück .
    LG vom katerchen dem deine Worte sehr gefallen haben

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  4. Da stimme ich diesmal nicht ganz zu. Ich glaube nicht "dass es sich lohnt zu leben weil wir Schweres tragen koennen". Meine Freundin hat neulich ihren 40-jaehrigen Sohn durch einen Unfall verloren, Ehefrau und zwei Kinder blieben zurueck - fuer sie lohnt es sich nicht zu leben weil sie Schweres tragen kann.
    Es gibt tausend Gruende, warum es sich lohnt zu leben, meiner Meinung ist dieser nicht einer davon.

    Trotzdem natuerlich Danke fuer den Denkanstoss Irmi. Alles Liebe.

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    1. Dieser Meinung schließe ich mich an.
      Nur weil ich etwas ertragen muss und dieses Schicksal dann auch ertragen kann, ist es für mich noch lange kein Grund zu leben oder das Leben als lohnenswert anzusehen.

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  5. Hallo Irmi,
    das ist ein schwieriges Thema. Schicksalsschläge sind mir gottseidank bislang erspart geblieben. Es ist bestimmt richtig, wie Du es beschreibst, dass man selbst den Schicksalsschlag bewältigen muss. Freunde, Bekannte, Verwandte können sicherlich helfen. Ich selbst hätte sicherlich das Problem, das nötige Einfühlungsvermögen zu haben.

    Gruß Dieter

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    1. Glaube schon, dass dich Schicksalsschäge erreicht haben. Kenne auch niemanden in deinem Alter, der davon verschont blieb. Selbst Bekannte, die in einer Art Vakuum leben, hatten Unfälle mit daraus erwachsenen Komplikationen, litten serh unter dem Versterben enger Angehöreiger. ... Ist natürlich auch eine Definitionssache, was du als Schicksal ansiehst. Für mich gehören da Todesfälle, Krankheiten, Familienprobleme sowie auch Berufliche Probleme/ Karriereknicke auch dazu. ...

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  6. Viel zum Nachdenken, Danke für den Post
    herzliche Grüsse
    Elisabeth

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  7. Liebe Irmi,

    sehr schwierig!
    Dazu kann ich nicht schreiben.

    Sonnige Grüße
    Elisabeth

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  8. Liebe Irmi,

    diesen Beitrag von dir kann ich gut nachvollziehen und weiß, dass ich ebenso reagiere. Erst einmal Distanz, ich muß allein sein, muß meine Kräfte auf den Verlust und auf mich konzentrieren .. erst nach einer gewissen Zeit kann ich mich öffnen. Letztes Jahr im Frühjahr hatte ich/wir so einen Verlust. Und ich habe an den Reaktionen der anderen gemerkt, dass manche es nicht verstehen konnten ..dieses Bedürfnis nach Distanz ..aber es ist so. Und es verändert einen .. sehr. Verarbeiten, trauern - kann unheimlich schwer sein. Ich weiß in einiger Hinsicht nicht, ob es mir wirklich gelungen ist ..

    Danke für diese Gedankenanstöße bei dir, das ist sehr wertvoll .. Schön, hier zu sein :)

    Ich grüß dich ganz lieb,
    Ocean

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  9. Liebe Irmi,

    jeder Mensch hat eine andere Art zu trauern. Ich kann deine nachvollziehen, aber ich weiß nicht, ob ich auf Distanz gehen würde...

    Von Herzen kommende Grüße

    Anke

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  10. Liebe Irmi,

    während ich diese Gedanken las, musst ich weinen. Ich habe mich darin wiedererkannt. Genauso, wie es hier beschrieben ist, habe ich auch empfunden ... und tu es noch. Es gibt noch immer solche Zeiten, in denen ich einfach ein wenig allein sein und trauern möchte. Bald darauf geht es mir auch schon wieder besser, denn ich finde auch immer Kraft in diesen Gedanken der Erinnerung und dem, wie es jetzt wohl ist, wo er nicht mehr da ist ... nicht mehr sicht- und fühlbar, aber seine Seele vielleicht doch bei mir ist? Das Gedicht von Fontane ist auch ganz wunderbar. Ich mag es sehr. Danke für diesen schönen Eintrag, liebe Irmi.

    Ein lieber Gruß zu dir und eine Umarmung
    von der Waldameise

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  11. Das ist wohl wahr! Erleidet man einen Verlust, dann "braucht" man eine Distanz. Die Erfahrung tut zwar weh, aber wenn man es im Nachhinein betrachtet, dann ist es eine nötige Erfahrung.

    Ein sehr gutes Thema, dass du angesprochen hast. Das zu lesen, könnte einigen hilfreich sein.

    Liebe Grüße, Brigitte

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  12. Liebe Irmi,
    das hast du sehr ,sehr schön geschrieben und ja, bei mir ist es auch so, manche schmerzvolle Dinge, muss ich ersteinmal mit mir ganz alleine "klar machen".Einen entspannten Restabend und ganz viele, liebe Grüße,Petra

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  13. Wieder ein schöner nachdenklicher Post von dir, so wie ich es mag. Das Fontane-Gedicht hat mir so gut gefallen, dass ich gleich mal nachgegooglet habe: Es heisst Trost und die Quelle lautet: Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 43-44. Habe es auch gleich mal auf meinem anderen Blog gepostet.
    ♥liche Grüße zum Spätabend, Wieczora (◔‿◔) | Mein Fotoblog

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  14. Irmi, das ist wieder ein sehr wertvoller post von dir. Er regt zum Nachdenken an und deine Zeilen sind nur zu wahr.
    Um nach schweren Schicksalsschlägen überleben/weiterleben zu können, benötigt man eine Zeit, in der man sich auf sich selbst besinnen kann. Gut gemeinte Ratschläge, Trost anderer, sie haben erst einmal gar keinen Platz und sie dringen auch nicht zu uns durch.
    Nicht umsonst heißt es: Die Zeit heilt Wunden!

    Liebe Grüße und eine schöne neue Woche für dich
    Christa

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  15. Liebe Irmi
    sehr viele Gefühle spüre ich zwsichen den Zeilen wie ich es las und wusste was du meintest um so mehr kam mir die Tränen.
    Heute sage ich auch auch wenns noch so schlimm war aber mein Inneres hat gelernt.Der Abstand braucht jeder um auch wieder Nähe auf zu nehmen!

    *Verwelkt wie eine Rose und wie ein Vergissmeinnicht, doch die Wurzeln blieben in der Erde, wie der Baum so stark kam ich wieder, die Zeit muss da sein*!

    Lieben Gruss Elke

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  16. Wieder sehr schön geschrieben, liebe Irmi!

    Ich denke, jeder braucht seinen _eigenen_ Mix dabei.
    So ging es mir auch.

    Aber einer Bekannten ging es anders: Sie erzählte, wieviele Ihr doch nach dem Tod ihres Mannes versprochen hätten, sie zu besuchen usw. ... und was war? Niemand, absolut niemand kam! ;-( Außer ich! Aber ich hatte es auch nicht versprochen, ich kam einfach, und sie freute sich arg!

    Alles Liebe für Dich!

    Tiger
    =^.^=

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Ich freue mich über jeden Kommentar und möchte mich auf diesem Weg recht herzlich dafür bedanken. Kommentare sind wie das Salz in der Suppe. Ohne fehlt sehr viel.