Mittwoch, 11. Mai 2016

Tage im Karzer konnten auch lustig sein..




Studentenkarzer wurden eingerichtet, weil die Universitäten im Mittelalte nicht der Gerichtsbarkeit weltlicher Herrschaft unterstanden, sondern selbst für die Bestrafung ihrer Studenten zuständig waren. Bis ins 18. Jahrhundert erstreckte  sich die Gerichtsbarkeit der Hochschulen auf Straftaten und Disziplinarvergehen. Später war sie dann auf kleinere Verstöße beschränkt und wurde 1879 schließlich abgeschafft. Einige Studentenkarzer bestanden aber weiter, in Heidelberg bis 1914. Karzerhaft gab es zum Beispiel für Trunkenheit und damit verbundene Vergehen oder für illegales Fechten. Die bunten Wandmalereien stammen fast alle aus den letzten Jahrzehnten der Nutzung - damals galt es vor allem in den Verbindungen als MUSS, einmal eingesessen zu haben. Schließlich war die Verpflegung nicht schlecht.Schon die Karzerordnung von 1853 hatte jedem Studenten pro Tag einen  "Schoppen" (halber Liter Wein) und zwei Flaschen Bier zugestanden.
Als junges Mädchen war ich mit meinem Vater in Heidelberg und er zeigte mir den Karzer in der Augustinergasse 2, der noch heute als Touristenattraktion dient. Für viele Heidelberger Studenten gehörte es einfach dazu, hier einmal einzusitzen.
Schon Mark Twain schrieb nach einem Besuch 1878 begeistert: "Ich glaube nicht, dass ich jemals in üppiger mit Fresken geschmückten Räumen  war." Nackt und betrunken in Heidelberger Brunnen baden, fechten oder Laternen mit Steinen auswerfen: die studentischen Insassen brüsteten sich geradezu mit den Taten, die sie in die Zellen gebracht hatten. Für die Studenten war es selbstverständlich. Farbe, Kerzen und Kohle mitzubringen, um sich gebührend  zu verewigen. - mit
Karzer-Graffiti. Neben Sprüchen, Namen und Jahreszahlen sind die Wände übersät mit
Männerköpfen. Man könnte sagen, der Schattenriss ist das Selfie der damaligen Zeit




Dieser Spruch steht auch an der Wand, geschrieben 1910 von einem gewissen Kurt Seyberth:

Die Damen geliebt, manch ein Liedlein gesungen,
Polypen gefoppt, den Säbel geschwungen.
In den Karzer geflogen, eh ich´s gedacht.
Da hab ich die lustigsten Tage verbracht.

(Quelle: Mein Reisebericht aus dem Jahr 1956)

Heute darf ich
Pünktchen
und
Kuni (Little white Castle)

hier am Neckarstrand begrüßen. Nehmt Platz und fühlt euch wohl hier.

22 Kommentare :

  1. moin irmi,
    lustig ist das studentenleben, jedenfalls hat diese art der bestrafung und gerichtsbarkeit ihren sinn und zweck verfehlt.
    wie sehr oft in der gesellschaft der gemeinschaftszwang, wer nicht mitmachte wurde aussenseiter.
    liebe grüsse!

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  2. Guten Morgen, meine liebe Irmi,
    danke für diesen Post, zu dem mir sofort ein Spielfilm mit Heinz Rühmann einfiel, in dem er auch in den Karzer mußte und viel Spaß hatte .... leider fällt mir nur gerade der Titel vom Film nicht ein ...
    Der Spruch ist ja lustig, den man in einem Karzer an der Wand gefunden hat :O)))
    Ich wünsche Dir einen schönen und zufriedenen Tag!
    ♥ Allerliebste Grüße und einen lieben Drücker, Deine Claudia ♥

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  3. Moin Irmi,
    das Wort "Karzer" habe ich noch nie gehört...
    Das war wirklich neu. Das Studentenleben früher.
    Interessant.
    Liebe Grüße

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  4. ...und wieder was gelernt. Ich kannte den Ausdruck auch noch nicht. Kann mir sehr gut vorstellen dass die Wände dort auch lustige Zeitzeugen sind. Da dürfte bestimmt der eine oder andere Enkel bzw. Urenkel staunen wenn er nen Spruch eines Familienangehörigen lesen würde *gg*

    Wünsche dir liebe Irmi einen schönen Tag und sende herzliche Grüsse

    N☼va

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  5. Guten Morgen , liebe Irmi.

    Kein Wunder, dass der Karzer so beliebt war, lach.
    Sicherlich konnte sich sonst nicht jeder Student täglich Wein und Bier erlauben.

    Liebe Grüsse
    Gaby

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  6. Welch seltsame Regeln - man wird wegen Trunkenheitin den Karzer geworfen und bekommt dort jede Menge Alkohol. Nun ja, vielleicht ist es ja nur aus heutiger oder gar aus meiner Sicht viel.
    Lieben Gruß
    Katala

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  7. Liebe Irmi,
    mir sind auch die alten Filme eingefallen ;-)
    Lg und einen gemütlichen Tag.
    Sadie

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  8. ...also nix mit "Wasser und Brot" - "Bier und Wein lässt lustig sein"! ;-))
    Wieder sehr lehrreich!!!
    Schönen Mittwoch,
    Luis

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  9. Liebe Irmi, da ging es ja rüde zu,war wohl auch eine Art Ausnüchterungszelle, lach. Irmi, habe Heidis Kommentar bei mir reingestellt, dass Du ihre Mai Geschichte in Deinen Lesungen nutzen kannst. LG Eva

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  10. ...scheint sie haben sich einen Sport daraus gemacht, liebe Irmi,
    mal in den Karzer zu kommen...und erbauliches für die Nachwelt hinterlassen...schön,

    liebe Grüße
    Birgitt

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  11. Lustig zu lesen, liebe Irmi! Die studentischen Aktivitäten neben dem Lernen kenne ich auch... Wir waren fast jeden Tag in irgendeiner Besenwirtschaft, und auch sonst gab es etliches was uns als Unfug eingefallen ist. Bestraft wurden wir jedoch nie.
    Die früheren Studenten fochten, und jeder der etwas auf sich hielt, musste soundsoviele Schmisse im Gesicht haben. Daran kann ich mich noch erinnern...

    Mit sonnigen Grüßen, Heidrun

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  12. Liebe Irmi,
    Ja, so war es ja auch keine Strafe zum aussitzen...
    Ganz liebe Grüße,
    Mariette

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  13. Liebe Irmi,
    Karzer - ja das war auch so ein Ausdruck! Dabei fällt mir der Film "Das fliegende Klassenzimmer" ein mit Paul Dahlke. Dort kommt das Wort auch vor. Da wußte ich allerdings noch nicht was es war. Erst als ich bei meiner Tante nachfragte, erklärte sie mir das. Ihr Großvater saß als junger Student öfter mal im Karzer. War wohl ein ganz schlimmer Finger (lach)!.
    Liebe Grüße

    Manu

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  14. Liebe Irmi das ist ja wieder ein schöner und interessanter Text.
    So ein Nähkästchen habe ich auch ;-).
    Ganz lieben Gruß und wunderschöne Pfingsten
    wünscht dir Dieter

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  15. hallo liebe irmi,
    echt spitze. dieser bericht ist nicht nur interessant sondern auch wirklich amüsant!
    herrlich.
    glg
    margit

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  16. .....ach, jugendgeschichten, altertumsgeschichten.........ich bin froh, dass meine kinder erwachsen sind und handeln, die jugend ist heute sehr sehr lang gezogen und dank unserer toleranz findet auch ausserhalb der gewissen räume reichlich viel "danebenes" statt, man ist ja tolerant...aber irgendwann langts dann auch...
    wenn es heute nochmal retour kommt für ein paar stunden, wunderbar, man soll sich ja was kindliches erhalten!

    karzer, was ein wort....

    herzlich Pippa

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  17. du musstest sicher nie im karzer sitzen. ich kann mich bei mir nicht wirklich erinnern, denke aber schon. ;-)
    liebe grüße
    ingrid

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  18. Wieder ein schönes Thema, liebe Irmi. Mein Vater hat kurz nach dem 1. Weltkrieg am Lehrerseminar studiert. Da haben die Dozenten am Abend kontrolliert, ob die Herren Studenten auch rechtzeitig im Bett waren!!!
    LG
    Magdalena

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  19. Liebe Irmi,

    das ist ja lustig geschrieben, ich habe geschmunzelt beim Lesen. Warst Du auch einmal im Karzer ?
    Ein schönes Pfingstfest wünsche ich Dir.

    Herzliche Grüße
    Kerstin

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    1. Oh Irmi, ich Seppl, habe 1941 gelesen statt 1914, tststs, erst beim Vorlesen für meinen Mann ist mir dieser Fehler aufgefallen

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  20. den Begriff Karzer habe ich gar nicht gekannt.
    Danke wieder für die Info Irmi. Bei dir gibt es immer etwas zu erfahren :-)

    herzliche Grüße von Heidi-Trollspecht

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  21. Liebe Irmi,
    wieder hast du sehr informativ und lebhaft das Thema geschildert.
    Der Freiheit wird sich erst bewusst,wer mal in den Karzer hat gemusst.
    Schöne Pfingstferien und ganz herzliche Grüße,
    Manuela

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Ich freue mich über jeden Kommentar und möchte mich auf diesem Weg recht herzlich dafür bedanken. Kommentare sind wie das Salz in der Suppe. Ohne fehlt sehr viel.