Donnerstag, 31. Dezember 2015

Dies und Das und Silvester

Man mag es kaum  glauben, aber der Abreisskalender hat nur noch ein letztes Blatt. Das Jahr 2015 liegt in den letzten Zügen. Wenn man das Jahr Revue passieren lässt, sind es nicht nur erfreuliche Dinge. Aber so ist das Leben: Gut und Böse liegen ganz nah beieinander.

Hans Christian Andersen

Zwölf mit der Post

Es war eine schneidende Kälte, sternenheller Himmel, kein Lüftchen regte sich.
'Bums!' Da wurde ein alter Topf an die Haustüre des Nachbars geworfen. 'Puff, paff!' Dort knallte die Büchse; man begrüßte das neue Jahr. Es war Neujahrsnacht! Jetzt schlug die Turmuhr zwölf!
'Trateratra!' Die Post kam angefahren. Der große Postwagen hielt vor dem Stadttore an. Er brachte zwölf Personen mit, alle Plätze waren besetzt.
»Hurra! Hurra! Hoch!« sangen die Leute in den Häusern der Stadt, wo die Neujahrsnacht gefeiert wurde und man sich beim zwölften Schlage mit dem gefüllten Glase erhob, um das neue Jahr leben zu lassen.
»Prost Neujahr!« hieß es, »ein schönes Weib! Viel Geld! Keinen Ärger und Verdruß!«
Das wünschte man sich gegenseitig, und darauf stieß man mit den Gläsern an, daß es klang und sang – und vor dem Stadttore hielt der Postwagen mit den fremden Gästen, den zwölf Reisenden.
Und wer waren diese Fremden? Jeder von ihnen führte seinen Reisepaß und sein Gepäck bei sich; ja, sie brachten sogar Geschenke für mich und dich und alle Menschen des Städtchens mit. Wer waren sie, was wollten sie, und was brachten sie?
»Guten Morgen!« riefen sie der Schildwache am Eingange des Stadttores zu.
»Guten Morgen!« antwortete diese, denn die Uhr hatte ja zwölf geschlagen.
»Ihr Name? Ihr Stand?« fragte die Schildwache den von ihnen, der zuerst aus dem Wagen stieg.
»Sehen Sie selbst im Passe nach«, antwortete der Mann. »Ich bin ich!« Und es war auch ein ganzer Kerl, angetan mit Bärenpelz und Pelzstiefeln. »Ich bin der Mann, in den sehr viele Leute ihre Hoffnung setzen. Komm morgen zu mir; ich gebe dir ein Neujahrsgeschenk! Ich werfe Groschen und Taler unter die Leute, ja ich gebe auch Bälle, volle einunddreißig Bälle, mehr Nächte kann ich aber nicht daraufgehen lassen. Meine Schiffe sind eingefroren, aber in meinem Arbeitsraum ist es warm und gemütlich. Ich bin Kaufmann, heiße Januar und führe nur Rechnungen bei mir.«
Nun stieg der zweite aus, der war ein Bruder Lustig; er war Schauspieldirektor, Direktor der Maskenbälle und aller Vergnügungen, die man sich nur denken kann. Sein Gepäck bestand aus einer großen Tonne.
»Aus der Tonne«, sagte er, »wollen wir zur Fastnachtszeit die Katze herausjagen. Ich werde euch schon Vergnügen bereiten und mir auch; alle Tage lustig! Ich habe nicht gerade lange zu leben; von der ganzen Familie die kürzeste Zeit; ich werde nämlich nur achtundzwanzig Tage alt. Bisweilen schalten sie mir zwar auch noch einen Tag ein – aber das kümmert mich wenig, hurra!«
»Sie dürfen nicht so schreien!« sagte die Schildwache.
»Ei was, freilich darf ich schreien«, rief der Mann, »ich bin Prinz Karneval und reise unter dem Namen Februarius.«
Jetzt stieg der dritte aus; er sah wie das leibhaftige Fasten aus, aber er trug die Nase hoch, denn er war verwandt mit den 'vierzig Rittern' und war Wetterprophet. Allein das ist kein fettes Amt, und deshalb pries er auch die Fasten. In einem Knopfloche trug er auch ein Sträußchen Veilchen, auch diese waren sehr klein.
»März! März!« rief der vierte ihm nach und schlug ihn auf die Schulter; »riechst du nichts? Geschwind in die Wachstube hinein, dort trinken sie Punsch, deinen Leib- und Labetrunk; ich rieche es schon hier außen. Marsch, Herr Martius!« – Aber es war nicht wahr, der wollte ihn nur den Einfluß seines Namens fühlen lassen, ihn in den April schicken; denn damit begann der vierte seinen Lebenslauf in der Stadt. Er sah überhaupt sehr flott aus; arbeiten tat er nur sehr wenig; desto mehr aber machte er Feiertage. »Wenn es nur etwas beständiger in der Welt wäre«, sagte er; »aber bald ist man gut, bald schlecht gelaunt, je nach Verhältnissen; bald Regen, bald Sonnenschein; ein- und ausziehen! Ich bin auch so eine Art Wohnungsvermietunternehmer, ich kann lachen und weinen, je nach Umständen! Im Koffer hier habe ich Sommergarderobe, aber es würde sehr töricht sein, sie anzuziehen. Hier bin ich nun! Sonntags geh' ich in Schuhen und weißseidenen Strümpfen und mit Muff spazieren.«
Nach ihm stieg eine Dame aus dem Wagen. Fräulein Mai nannte sie sich. Sie trug einen Sommermantel und Überschuhe, ein lindenblattartiges Kleid, Anemonen im Haare, und dazu duftete sie dermaßen nach Waldmeister, daß die Schildwache niesen mußte. »Zur Gesundheit und Gottes Segen!« sagte sie, das war ihr Gruß. Wie sie niedlich war! Und Sängerin war sie, nicht Theatersängerin, auch nicht Bänkelsängerin, nein, Sängerin des Waldes; – den frischen, grünen Wald durchstreifte sie und sang dort zu ihrem eigenen Vergnügen.
»Jetzt kommt die junge Frau!« riefen die drinnen im Wagen, und aus stieg die junge Frau, fein, stolz und niedlich. Man sah es ihr an, daß sie, Frau Juni, von faulen Siebenschläfern bedient zu werden gewohnt war. Am längsten Tage des Jahres gab sie große Gesellschaft, damit die Gäste Zeit haben möchten, die vielen Gerichte der Tafel zu verzehren. Sie hatte zwar ihren eigenen Wagen; allein sie reiste dennoch mit der Post wie die andern, weil sie zeigen wollte, daß sie nicht hochmütig sei. Aber ohne Begleitung war sie nicht; ihr jüngerer Bruder Julius war bei ihr.
Er war ein wohlgenährter Bursche, sommerlich angekleidet und mit Panamahut. Er führte nur wenig Gepäck bei sich, weil dies bei großer Hitze zu beschwerlich sei; deshalb hatte er sich nur mit einer Schwimmhose versehen, und dies ist nicht viel.
Darauf kam die Mutter selbst, Madame August, Obsthändlerin en gros, Besitzerin einer Menge Fischteiche, sie war dick und heiß, faßte selbst überall an, trug eigenhändig den Arbeitern Bier auf das Feld hinaus. »Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen!« sagte sie, »das steht in der Bibel. Hinterdrein kommen die Spazierfahrten, Tanz und Spiel und die Erntefeste!« Sie war eine tüchtige Hausfrau.
Nach ihr stieg wieder ein Mann aus der Kutsche, ein Maler, Herr Koloriermeister September; der mußte den Wald bekommen; die Blätter mußten Farbe wechseln, aber wie schön; wenn er es wollte, schillerte der Wald bald in Rot, Gelb oder Braun. Der Meister pfiff wie der schwarze Star, war ein flinker Arbeiter und wand die blaugrüne Hopfenranke um seinen Bierkrug. Das putzte den Krug, und für Ausputz hatte er gerade Sinn. Da stand er nun mit seinem Farbentopfe, der war sein ganzes Gepäck!
Ihm folgte der Gutsbesitzer, der an den Saatmonat, an das Pflügen und Beackern des Bodens, auch an die Jagdvergnügungen dachte; Herr Oktober führte Hund und Büchse mit sich, hatte Nüsse in seiner Jagdtasche – 'knick, knack!' Er hatte viel Reisegut bei sich, sogar einen englischen Pflug; er sprach von der Landwirtschaft; aber vor lauter Husten und Stöhnen seines Nachbars vernahm man nicht viel davon. –
Der November war es, der so hustete, während er ausstieg. Er war sehr mit Schnupfen behaftet; er putzte sich fortwährend die Nase, und doch, sagte er, müsse er die Dienstmädchen begleiten und sie in ihre neuen Winterdienste einführen; die Erkältung, meinte er, verliere sich schon wieder, wenn er ans Holzmachen ginge, und Holz müsse er sägen und spalten; denn er sei Sägemeister der Holzmacherinnung.
Endlich kam der letzte Reisende zum Vorschein, das alte Mütterchen Dezember mit der Feuerkiepe; die Alte fror, aber ihre Augen strahlten wie zwei helle Sterne. Sie trug einen Blumentopf auf dem Arme, in dem ein kleiner Tannenbaum eingepflanzt war. »Den Baum will ich hegen und pflegen, damit er gedeihe und groß werde bis zum Weihnachtsabend, vom Fußboden bis an die Decke reiche und emporschieße mit flammenden Lichtern, goldenen Äpfeln und ausgeschnittenen Figürchen. Die Feuerkiepe wärmt wie ein Ofen; ich hole das Märchenbuch aus der Tasche und lese laut aus ihm vor, daß alle Kinder im Zimmer still, die Figürchen an dem Baume aber lebendig werden und der kleine Engel von Wachs auf der äußersten Spitze die Flittergoldflügel ausbreitet, herabfliegt vom grünen Sitze und klein und groß im Zimmer küßt, ja, auch die armen Kinder küßt, die draußen auf dem Flure und auf der Straße stehen und das Weihnachtslied von dem Bethlehemsgestirne singen.«
»So! Jetzt kann die Kutsche abfahren«, sagte die Schildwache, »wir haben sie alle zwölf. Der Beiwagen mag vorfahren!«
»Laß doch erst die zwölf zu mir herein!« sprach der Wachhabende, »einen nach dem andern! Die Pässe behalte ich hier; sie gelten jeder einen Monat; wenn der verstrichen ist, werde ich das Verhalten auf dem Passe bescheinigen. Herr Januar, belieben Sie näher zu treten.«
Und Herr Januar trat näher.
Wenn ein Jahr verstrichen ist, werde ich dir sagen, was die zwölf uns allen gebracht haben. Jetzt weiß ich es noch nicht, und sie wissen es wohl selbst nicht – denn es ist eine seltsam unruhige Zeit, in der wir leben.

Ich wünsche allen meinen lieben Leserinnen und Lesern einen guten Rutsch ins Neue Jahr, viel Gesundheit und Wohlergehen.









 
  

25 Kommentare :

  1. Liebe Irmi
    Einen guten Rutsch ins 2016 und ein zufriedenes gutes neues Jahr wünscht dir Bea

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  2. Liebe Irmi
    Danke für diese Geschichte!
    ich wünsche dir ein gutes und gesundheitliches neues Jahr 2016... komm gut rüber!
    Lieben GrussElke

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  3. Liebe Irmi,

    einen guten Rutsch und alles Liebe für 2016

    herzliche Grüße
    Uschi
    so whaht hutiebhaberin

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  4. Ich wünsche Dir liebe Irmi ein gutes Jahr 2016,
    voller Gesundheit, Glück und Zufriedenheit.
    Grüßle Crissi

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  5. Liebe Irmi, ich wünsch Dir einen guten Rutsch und nur das Beste für 2016!

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  6. liebe Irmi,
    vielen Dank für diese schöne Geschichte!
    ich wünsche Dir einen guten Rutsch und von ganzem Herzen alles Gute für das neue Jahr!
    liebe Grüße
    Gerti

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  7. Dir, liebe Irmi, alle erdenklich guten Wünsche für das kommende Jahr!
    Bleibe so informativ & emphatisch!
    Herzlichst
    Astrid

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  8. Liebe Irmi,

    ich wünsche dir von Herzen einen schönen letzten Tag im alten Jahr, komm gut hinüber ins neue.
    Es soll dir stabile Gesundheit und viele schöne Momente bringen. :-)

    Alles Liebe für dich und herzliche Grüße
    Christa

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  9. Liebe Irmi,
    lieben Dank für die schöne Erzählung. Ich wünsche dir einen guten Rutsch und alles Liebe fürs 2016.
    Herzliche Silvestergrüsse, Sichtwiese

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  10. liebe Irmi, danke für die schöne Geschichte von Christian Andersen.
    Jetzt will ich dir auch einen schönen Silvesterabend wünschen - und einen guten Rutsch in ein glückliches und friedliches neues Jahr - in Gedanken packe ich auch einen großen Sack voller Gesundheit mit in die Wünsche ein :-)

    Herzliche Grüße von Heidi-Trollspecht (die sich wieder sehr darauf freut bei dir zu lesen)

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  11. Liebe Irmi,
    ich wünsche dir von Herzen das Beste im neuen Jahr! ♥
    Rutsch gut ins 2016 hinein.
    Alle alles Liebe für dich.

    Liebste Grüessli
    Julia

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  12. Guten Rutsch liebe Irmi !
    Ich freue mich auf ein neues Bloggerjahr mit dir.
    Schön, dass wir uns gefunden haben.
    LG
    Käthe

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  13. Welch tolle Erzählung!
    Ich wünsche dir alles erdenkliche Gute, vor allem bestmögliche Gesundheit.
    Auf ein neues schönes Bloggerjahr!
    Liebe Grüße von Heike

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  14. Liebe Irmi, ich wünsch dir einen guten Rutsch und alles Gute für 2016

    lg gabi

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  15. Liebe Irmi,
    Andersen mag ich ganz besonders gerne, seine Geschichten/Märchen gehen zu Herzen. ♥

    Ich wünsche Dir einen angenehmen Silvesterabend und einen guten Start ins Neue Jahr 2016!
    Herzlichst moni

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  16. Liebe Irmi,
    auch ich wünsche Dir einen guten Rutsch und ein ganz wunderbares neues Jahr, vor allen Dingen ganz viel Gesundheit!!!

    Liebe Grüße
    Pamela

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  17. Meine liebe Irmi,
    danke für diese schöne Geschichte zum Jahreswechsel!
    Ich wünsche Dir von ganzem Herzen schöne letzte Stunden im alten Jahr und einen guten Rutsch in ein schönes, kreatives, friedvolles und vor allem gesundes Neues Jahr!
    ♥ Allerliebste Grüße, Deine Claudia ♥

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  18. Liebe Irmi, ich dachte heute Morgen, so lange ist das nicht mal her, dass ich den Abreißkalender ausgewechselt habe....jetzt liegt der von 2016 schon wieder parat.
    Die Geschichte mit den Monaten finde ich sehr schön, ich kannte sie noch nicht.
    Ich wünsche dir liebe Irmi und all deinen Lesern, einen harmonischen und glücklichen Jahreswechsel. Für das neue Jahr Gesundheit, Glück und Freude! Liebe Grüße von Lollo

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  19. Liebe Irmi,
    Ich wünsche dir alles Gute und Liebe für das neue Jahr!
    Wenn ich wieder zu Hause bin in Kanada, melde ich mich telefonisch bei dir.
    Einen festen Drücker
    Ella

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  20. auch ich wünsche dir einen guten rutsch und ein gesundes und glückliches neues jahr! liebe grüße!

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  21. Liebe Irmi, das wünsche ich Dir auch. Und danke für Deine tollen Beiträge. Alles Liebe Eva

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  22. Liebe Irmi,
    einen guten Rutsch ins neue Jahr und alles erdenklich Gute für dieses.
    Liebe Grüße
    Jessica

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  23. Liebe Irmi,
    danke für die schöne Geschichte. Ich wünsche dir einen guten Rutsch und ein frohes neues Jahr 2016!
    Alles Liebe
    Regina

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  24. Hallo Irmi,
    möchte Dir auch einen Guten Rutsch ins Neue Jahr wünschen.
    Vor allem das es wieder aufwärts geht.
    Hier ist es leicht neblig und naßkalt bei + 6°C
    VG
    Oskar

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Ich freue mich über jeden Kommentar und möchte mich auf diesem Weg recht herzlich dafür bedanken. Kommentare sind wie das Salz in der Suppe. Ohne fehlt sehr viel.