Mittwoch, 6. April 2016

Ein interessantes Archiv....

....befindet sich in der Heidelberger Thoraxklinik: Das Deutsche Tuberkulose-Archiv und Museum. Bei einem Krankenbesuch in der Klinik hatte ich die Gelegenheit, hier zu verweilen. Ich nahm Einiges an Material mit, darunter einen interessanten Artikel von Ingeborg Salomon.
Tuberkulose (TB) ist nicht nur einfach  eine Krankheit, die heute in Europa  - anderes als in China, Indien und vielen Ländern Afrikas - kein Thema mehr ist. Sie ist auch ein Mythos. Dichter und Komponisten stilisierten die Schwindsucht zu einer Krankheit der sensiblen Seelen. Verdi (La Traviata) und Puccini (La Bohéme) bringen Tuberkulose kranke Protagonistinnen auf die Opernbühne, wo sie kunstvoll sterben. Thomas Mann schickt in seinem  "Zauberberg"  den Hamburger Kaufmannssohn Hans Castorp nach Davos ins Sanatorium  "Berghof", wo er sieben Jahre bleibt und zwischen Liegekuren und Liebeleien ein recht privilegiertes Leben führt - um nur einige Beispiele zu nennen.
Mit der Wirklichkeit Lungenkranker  im 19. und 20. Jahrhundert hat all das wenig zu tun, wie das Deutsche Tuberkulose-Archiv in Heidelberg zeigt. Nach 1920 wurden im Rohrbacher Schlösschen TB-kranke Kriegsheimkehrer behandelt, die sich hier Linderung erhofften. Heilung gab es damals noch nicht. Zwar entdeckte Robert Koch bereits 1882 das Tuberkelbakterium, doch erst seit etwa 1950 konnten Patienten mit Antibiotika wirksam behandelt werden.
In den fünf Räumen des Museums werden sowohl die wissenschaftlichen Leistungen im Kampf gegen die Tuberkulose gezeigt als auch der soziale Alltag der Kranken - z.B. in Lungensanatorien.
Die Therapie setzte auf einen geregelten Tagesablauf, kalorienreiche Ernährung und Liegekuren an der frischen Luft - bei Redeverbot und ohne Ablenkung. Detailliert nachzulesen in Thomas Manns  "Zauberberg". Die große Ansteckungsgefahr und die damit verbundene soziale Ausgrenzung ist dabei ebenso Thema wie Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung. Denn Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit, die durch Bakterien verursacht wird. Betroffen waren im 19. Jahrhundert vor allem Menschen, die wenig oder gar kein Einkommen hatten und räumlich sehr beengt lebten. Nicht umsonst spielt  "La Bohéme" in einer ärmlichen Mansardenwohnung.
Eindrucksvoll geben in der Ausstellung deshalb Plakate Hinweise zur Hygiene, denn eine gefährliche Tröpfcheninfektion lauert überall. Emailleschilder in Zügen und öffentlichen Gebäuden mit der Aufschrift  "Nicht auf den Boden spucken" waren deshalb im späten 19. und im 20. Jahrhundert keine Besonderheit. Das Museum zeigt Spucknäpfe und Flaschen und auch ein dunkelblau eingefärbtes Glasgefäß mit einem Klappdeckel. Der Patient trug es im Sanatorium mit sich herum. Der Füllungsgrad war leicht zu kontrollieren und das gefärbte Glas kaschierte, wie unappetitlich der Inhalt war. Entwickelt wurde dieses Glas, das es auch in anderen gedeckten Farben gab, um 1900
von Peter Dettweiler, der eine Lungenklinik im Taunus betrieb
Wenn man genügend Zeit mitbringt - und das sollte man unbedingt - kann man sich in der Bibliothek des Museums in die Dokumente vertiefen. Man erfährt erschütternde Einzelschicksale. Patientenakten der Tuberkulose-Fürsorgestellen in Dresden und München aus den Jahren 1920 bis 1955 können eingesehen werden. Außerdem gibt es eine Videothek mit historischen und aktuellen Dokumentationen. Alles ist so aufbereitet, dass sowohl Fachleute als auch Laien von einem Museumsbesuch profitieren.
Das Archiv ist nach Vereinbarung geöffnet.  Wenn man die Gelegenheit hat, sollte man dieses Museum wirklich besuchen, zumal auch bei uns wieder verstärkt TB-Fälle auftreten.




Die Wahrheit geht manchmal unter,
aber sie ertrinkt nicht.
(Ungarisches Sprichwort)

14 Kommentare :

  1. Liebe Irmi,
    ein sehr interessantes Thema, bei dem ich allerdings "Atemnot" bekommen, weil ich eben mit
    der Lunge so meine Probleme habe, Gott sei Dank gibt es heute viele Therapien und Einrichtungen,
    um diese Krankheit zu kurieren bzw. halbwegs zu kurieren.
    Ich wünsche dir einen sonnigen Tag.
    Lg Sadie

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  2. Ich habe einen sehr interessanten, aber etwas ekligen Bericht im TV gesehen, also, wer empfindlich ist, weglesen.
    Ein sehr engagiertes Ärzteteam ist in einer Gegend in Afrika aktiv. Sie organisieren dort in einer Buschklinik Schnelltransporte von Sputumproben zu einem von Ihnen errichteten Speziallabor. Mit einem Motorrad über Stock und Stein, weil es flott gehen muss.
    Sie haben Ratten trainiert, eine mühsame und langwierige Arbeit. Diese trainierten Tiere können jetzt im Eilgang - sie riechen gerade einmal an der Probe und reagieren entsprechend....
    bestimmen, ob Tuberkel da sind.
    Das hochdosierte Spezialmedikament wird sofort eingesetzt per Funkkontakt und die Tuberkulose ist merklich zurückgegangen seitdem in dem Gebiet.
    Klingt simpel - erfordert aber in der Realität verdammt viel Einsatz einzelner dafür und nur dafür engagierter Personen.
    Medizinische Hilfberufe aller Art und in aller Welt sind Gold wert, die Forschung dazu erst recht!
    Danke für diesen Post,
    herzlich Pippa

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  3. Meine liebe Irmi,
    danke für diesen Post über ein sehr interessantes Archiv!
    Ich wünsche Dir einen schönen und glücklichen Tag!
    ♥ Allerliebste Grüße,Deine Claudia ♥

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  4. Das ist einen schlimme Krankheit, mein Opa hatte sich in den 60er als Schaffner im Bus angesteckt, er konnte zwar davon geheilt werden, aber die damals sehr starken Medikamente schädigten sein Herz schwer, so dass an arbeit nicht mehr zu denken war.

    lg gabi

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  5. Liebe Irmi,

    zunächst ganz herzlichen Dank für deine lieben Genesungswünsche. Bin jetzt erstmal wieder daheim.
    Langsam hab ich die Nase voll von Krankheiten...bei mir und den lieben Menschen um mich herum...Dennoch lese ich solche interessanten Berichte, wie deinen, trotzdem.
    Es ist schon unglaublich, was die Forschung inzwischen alles geschafft hat, um schwere Krankheiten lindern, heilen, oder wenigstens "im Zaum" halten zu können.
    Wir sollten wirklich dankbar sein, hier und heute zu leben.
    Liebe, herzliche Grüsse
    Gaby

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  6. Liebste Irmi, sehr interessant dein Bericht, danke für deine Mühe! Man ignoriert ja gerne solche Dinge, die sind unangenehm und sooo weit weg, nicht wahr?! Dabei treten diese Fälle mittlerweile wieder vermehrt auf, ich habe davon gehört und gelesen! ich wünsche dir einen relaxten Nachmittag, herzlicht, Meisje

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  7. Interessant! danke herzlich
    Liebe Grüsse
    yase

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  8. Liebe Irmi, super interessant. Gut, dass es jetzt dagegen Antibiotika gibt. Ich hatte als kleines Mädchen auch den Verdacht, aber dann war doch nichts. Liebe Grüße Eva

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  9. Servus Irmi,
    interessant und zugleich beklemmend - unvorstellbar, was die Patienten damals ertragen mussten!
    Gute Zeit,
    Luis

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  10. Liebe Irmi,
    ein spannendes Thema, von dem ich glaubte, die TB sei längst Geschichte... aber dem ist leider nicht so. Lieben Dank für diesen Post.
    Herzliche Grüsse, Sichtwiese

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  11. Wie gut, daß diese Krankheit bei uns so gut wie ausgestorben ist, dafür kommen andere .... wie die Leishmaniose ... man darf gar nicht darüber nachdenken ... Sandmücken habe auch ich bei uns schon gesehen ...

    Liebe Grüße auch hier
    Sara

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  12. TB hatte sogar mein Mann noch als Baby. Schwiegervater hatte die Krankeit als Spätheimkehrer aus russischer Gefangenschaft mitgebracht. Damals, Anfang der 60er Jahre, hat man die Kinder aus den Familien genommen und in Isolierstationen von Krankenhäusern untergebracht. Mein Mann lernte seine Eltern erst mit ca. 3 Jahren kennen, vorher gab es nur die Station und Schwestern. Das waren damals traurige Zeiten.

    Liebe Grüße
    Arti

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  13. Hallo Irmi.
    an die Heidelberger Thoraxklinik habe ich nicht so gute Erinnerungen.
    Dort ist mein Schwiegervater damals operiert worden (Lungenkrebs).
    Überhaupt mache ich zunehmend lieber einen großen Bogen um jede Klinik:
    Wünsche dir ein erholsames Wochenende.
    VG
    Oskar

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Ich freue mich über jeden Kommentar und möchte mich auf diesem Weg recht herzlich dafür bedanken. Kommentare sind wie das Salz in der Suppe. Ohne fehlt sehr viel.